Seitengänge auf gebogenen Linien

Das Thema ist in den vorangegangenen Kapiteln bereits mehrfach angesprochen worden. Hier noch einmal eine detaillierte Zusammenfassung.
In Prüfungen werden Seitengänge nur auf geraden Linien verlangt. Die Konterlektionen sind ebenfalls nicht prüfungsrelevant, weil sie sich im Grundsatz nicht von den eigentlichen Seitengängen unterscheiden.
Erst beim Reiten auf gebogenen Linien entstehen prinzipielle Unterschiede, insbesondere bei den Konterlektionen.
Seitengänge auf gebogenen Linien sind schwieriger zu reiten, sie sind anspruchsvoller und für das Pferd anstrengender. Darin liegt der Trainingsvorteil! Das Üben der Seitengänge auch auf gebogenen Linien bringen Pferd und Reiter in ihrem Können voran.


Vorweg etwas Theorie

Seitengänge sind Lektionen, die immer auf zwei Hufschlägen geritten werden. In Wendungen, auf dem Zirkel oder in Volten bewegen sich demzufolge Vor- und Hinterhand auf zwei unterschiedlich großen Kreisbahnen. Der Unterschied ist vom Durchmesser des Kreises abhängig. Auf einem Zirkel beträgt der Längenunterschied zwischen Außen- und Innenkreis für ein Großpferd ungefähr 5 %, auf einer 10-Meter-Volte sind es 10 % und in Wendungen ist die Differenz noch größer.
Abhängig vom Seitengang ist es entweder die Vorhand oder die Hinterhand, die dabei einen größeren Weg zurücklegen muss. Für die Hinterhand bedeutet ein größerer Weg mehr Raumgriff, schnellere Bewegungen und mehr Anstrengung. Ein kürzerer Weg führt dagegen zur vermehrten Beugung der Hinterbeine, zu mehr Lastaufnahme und damit zu mehr Versammlung.




Seitengänge auf gebogenen Linien



Bei den Seitengängen auf gebogenen Linien sind es nicht nur die Vor- und Hinterhand, die sich auf unterschiedlich großen Kreisen bewegen, es sind auch die inneren und äußeren Beine, die unterschiedlich große Wege zurücklegen müssen und unterschiedlich beansprucht werden. Unter Berücksichtigung beider Aspekte ergeben sich für die Seitengänge auf gebogenen Linien folgende Überlegungen:



Unterschiede zwischen den Seitengängen und ihren Konterlektionen



Fazit: Das korrekte Reiten von Seitengängen auf gebogenen Linien bringt viele Vorteile:
Grundsätzlich sind Seitengänge auf gebogenen Linien für das Pferd anstrengend. Sie sollen daher immer nur in kurzen Reprisen geübt werden.



Praktische Übungen

Der Übergang von einer schwierigen Übung in eine leichtere ist für ein Pferd immer motivierend. Beim Training der Seitengänge auf gebogenen Linien bieten sich daher die Übergänge von den Konterlektionen zu den eigentlichen Seitengängen an. Zwei Übungen haben sich in der Praxis als besonders wirkungsvoll erwiesen.


1. Der nahtlose Übergang vom Konterschulterherein ins Schulterherein Auf dem Zirkel ist das Konterschulterherein für das Pferd anstrengender, weil das innere (hier das rechte!) Hinterbein einen längeren Weg hat. Um auf der Zirkellinie zu bleiben und den Takt zu halten, muss das Pferd mit seinem inneren Hinterbein fleißig nach vorn unter seinen Schwerpunkt treten. Gleichzeitig wird es mit dem inneren Schenkel und dem äußeren Zügel auf der Zirkellinie gehalten. Es muss also an den äußeren Zügel herantreten. Beides ist gewünscht und erhöht den Trainingseffekt.
Wird anschließend aus dem Zirkel unter Beibehaltung von Stellung und Biegung gewechselt, geht die Übung nahtlos ins Schulterherein über. Jetzt hat das innere Hinterbein den kürzeren Weg. Es tritt gebeugt unter den Schwerpunkt. Das Pferd empfindet den Wechsel aus der anstrengenden Konterstellung hinein in das leichtere Schulterherein als angenehm und verbindet dieses positive Gefühl mit dem Schulterherein.
Legt man den Zirkel außerdem so an, dass das Pferd von seiner hohlen Seite zu seiner festen Seite wechseln muss, wird es wahrscheinlich auch die Biegung auf dieser Seite eher akzeptieren. Nach der anstrengenden Übung sollte ein Leichttraben als zusätzliche Motivation und zur Entspannung folgen.




2. Im Renvers aus dem Zirkel wechseln
Die Übung ist nach dem gleichen Prinzip aufgebaut. Es wird unter Beibehaltung von Stellung und Biegung nahtlos von der schwierigeren Konterlektion in den Travers gewechselt. Ziel ist die Verbesserung des Travers.
Begründung: In diesem Beispiel muss das Pferd auf beiden Zirkeln mit dem linken (äußeren) Hinterbein unter seinen Schwerpunkt treten. Während des Renvers muss dieses Hinterbein einen größeren Weg beschreiben, um auf der Zirkellinie zu bleiben, als anschließend beim Travers. Das Pferd wird sehr wahrscheinlich beim Zirkelwechsel die ausgeprägte Bewegung vom Renvers ins Travers übernehmen, damit den Travers verbessern und gleichzeitig die Entlastung als Belohnung empfinden. Auch hier ist ein anschließendes, frisches Vorwärts im Leichttraben angebracht.