Die Arbeit an der Hand




Allgemeines

Ein paar Gedanken vorweg ....

Laut Richtlinien der FN dient die Arbeit an der Hand auschließlich zur Fördeung der Versammlung und zum Erlernen der Piaffe. Die anspruchsvolle Zielsetzung wirkt jedoch auf viele (freizeitorientierte) Reiter abschreckend. Nicht jeder hat die Absicht und die Fähigkeit, seinem Pferd Piaffe beizubringen.
In der iberischen und klassisch-barocken Reitweise ist der Begriff der Handarbeit weitergefasst. Abkauübungen, lösendes Übertretenlassen und Seitengänge gehören ebenfalls dazu. Übungen, die nicht nur dem Menschen, sondern auch dem Pferd zunächst leichter fallen und trotzdem von großem Nutzen sind.
Ein wesentlicher Vorteil der Handarbeit besteht darin, dass das Pferd den Menschen sieht und Handlungen, Gesten und Körpersprache besser verstehen kann als es vom Sattel aus möglich wäre. Die gewichtslose Arbeit ist ein weiterer Aspekt. Gerade die versammelnden Übungen fallen dem Pferd ohne Reitergewicht anfangs leichter. Und letzlich lassen sich Respekt und Vertrauen - die wichtigsten Voraussetzungen für die Erziehung eines Pferdes - vom Boden aus am besten erreichen.
Die Arbeit an der Hand ist kein Buch mit sieben Siegeln. Trotzdem sollten die Grundlagen unter fachkundiger Anleitung erlernt werden. Besonders bei der Körpersprache schleichen sich oft Fehler ein und führen zu Missverständnissen. Richtig angewandt, ist die Handarbeit eine sinnvolle Ergänzung zum Reiten und macht ebensoviel Freude.


Die Ausrüstung

Die typischen Ausrüstungsgegenstände für die Arbeit an der Hand sind Kappzaum, Trense, Führzügel, Touchiergerte und Ausbinder in Verbindung mit einem Longiergurt oder Sattel.
Es gibt keine allgemein gültige Anweisung für die Benutzung und Handhabung der Ausrüstung. Der Einsatz ist von vielen Faktoren abhängig. Alter, Temperament und Ausbildungsstand des Pferdes, das Ausbildungsziel, aber auch die Vorlieben und Gewohnheiten des Ausbilders sind dabei zu berücksichtigen.

Der Kappzaum ist für den Einstieg in die Bodenarbeit die ideale Zäumung. Junge und temperamentvolle Pferde lasssen sich damit leicht disziplinieren. Das empfindliche Pferdemaul bleibt geschont. Und für Pferde, die am Anfang ihrer Ausbildung stehen, wirkt die gebisslose Zäumung oft vertrauensvoller.
Kappzäume gibt es in vielen Varianten. Von der weich gepolsterten Ausführung bis hin zur "Spanischen Serreta". Für die Handarbeit ist ein leichter, gut sitzender und nicht zu "schwammiger" Kappzaum mit genügend Atmungsfreiheit zu empfehlen.

Die Arbeit mit der Trense ist bei ruhigen und in der Ausbildung bereits fortgeschrittenen Pferden oft von Vorteil. Der Schritt von den vorbereitenden Übungen am Boden zu den Ausführungen unter dem Reiter fällt vielen Pferden leichter, weil die Zügelhilfen identisch sind.

Die Kombination aus Trense und Kappzaum ist ein Kompromiss. Das Pferd wird am Kappzaum geführt. Die Ausbinder werden jedoch an den Trensenringen befestigt. Dadurch wirken Paraden wie gewohnt auf das Pferdemaul. Werden dagegen die Ausbinder an den seitlichen Kappzaumringen befestigt, würde lediglich der Kopf des Pferdes in der gewünschten Position gehalten werden.

Die Touchiergerte ist der verlängerte Arm des Ausbilders. Mit der Spitze der Gerte sollten alle Touchierpunkte ohne Verrenkungen erreicht werden. Je nach Pferdegröße entspricht das einer Länge von ungefähr 1,5 - 2 m. Die Gerte sollte leicht und zum Ende hin flexibel sein. Viele Ausbilder bevorzugen eine Bogenpeitsche. Sie erfordert etwas mehr Geschick, hat aber den Vorteil, dass mit dem Schlag auch der äußere Hinterfuß erreicht werden kann.

Die Verwendung von Ausbindern wird zur Zeit heftig und ideologisch verbissen diskutiert. Richtig angewandt und zeitlich begrenzt, können Ausbinder für das Pferd durchaus eine zusätzliche Hilfe sein. Übergänge lassen sich so beispielsweise leichter und wirkungsvoller erarbeiten. Wichtig ist, dass das Pferd sich nicht eingeengt fühlt und die Nasenlinie bei jeder Gangart vor der Senkrechten bleibt. Für die Handarbeit haben sich einfache Ausbindezügel (ohne Gummiringe!) am besten bewährt.

Bandagen wirken eher kontraproduktiv. Wichtige Touchierpunkte werden verdeckt und machen das Pferd unempfindlich gegenüber Berührungsreizen.


Körpersprache und Hilfengebung

In allen Bereichen der Bodenarbeit spielt die Körpersprache eine wesentliche Rolle. Besonders bei der Arbeit an der Hand, weil hier in Augenhöhe und unmittelbar am Pferd gearbeitet wird.
Trotz der Nähe muss der Ausbilder Distanz bewahren, um seine Position als Ranghöherer zum Ausdruck zu bringen. Das Pferd darf nicht drängeln! Mit der ausgestreckten Hand in Richtung Pferdemaul, einer aufrechten Haltung (gerade aufgerichtet, entschlossener Blick) und eventuellem Gerteneinsatz an der Schulter, wird das Pferd zur Einhaltung des Abstands aufgefordert. Auf keinen Fall darf versucht werden, das Pferd seitwärts zu schieben oder zu drücken Dies würde nur den Oppositionsreflex hervorufen und das Gegenteil bewirken.





Bewegungsrichtung und Raumgewinn werden dem Pferd ebenfalls über die Körpersprache signalisiert. Der Ranghöhere - in diesem Fall hoffentlich der Ausbilder - gibt die Richtung und das Tempo vor, indem er sich selber dem Ziel zuwendet und über die Höhe seiner Führhand das Tempo bestimmt. (Eine hohe Hand wirkt stärker bremsend als eine tiefer gehaltene.) Bei der Arbeit an der Hand ist das Augenmerk stark auf die Hinterhand gerichtet. Das Pferd soll z. B. im Trab mit seinen Hinterbeinen im klaren diagonalen Zweitakt vermehrt unter den Schwerpunkt treten, die Hanken beugen und federnd abfußen. Das führt häufig zu dem Fehler, dass der Ausbilder sich zu sehr auf die Hinterhand konzentriert und dabei den Blick nach vorwärts verliert. Körpersprachlich bewirkt der Blick auf die Hinterfüße jedoch keine Vorwärts-, sondern eine Seitwärtsbewegung des Pferdes.

Antreten, Halten, Gangartenwechsel, neue Lektionen etc. müssen dem Pferd angekündigt werden. Beim Reiten geschieht das durch halbe Paraden. Am Boden ist die Vorgehensweise ähnlich. Das Pferd darf nicht mit Kommandos überfallen werden. Damit es lernt, auf feine Hilfen zu reagieren, wird das Signal in kurz aufeinanderfolgenden "Energiestufen" übermittelt. Zunächst durch Körperspannung und Körperposition, dann mit der Stimme und falls keine Reaktion erfolgt, mit der Gerte. Beim ersten richtigen Ansatz müssen weitere Hilfen sofort eingestellt und das Pferd ausgiebig gelobt werden. Ziel ist es, dass es bereits auf körpersprachliche Signale reagiert.
(Ausführlichere Beschreibungen zur Körpersprache und zu Lernmethoden siehe auch: Bodenarbeit am Führseil und im Round Pen).




Die Touchierpunkte

Bei der Arbeit an der Hand ist die Gerte das wichtigste Hilfsmittel, um die Hinterhand des Pferdes "anzusprechen". Wie das Pferd auf die Berührungsreize reagiert ist sehr unterschiedlich. Es ist auf jeden Fall ratsam, es vorher an die Touchiergerte zu gewöhnen, damit keine Angst entsteht. Auch gelegentliches Ausschlagen nach der Gerte sollte im Vorfeld abgestellt werden. Nichtbeachtung oder beruhigende Worte sind hierfür die geeignetsten Maßnahmen.
Ziel der Handarbeit ist es, ein kadenziertes Vorwärts oder auch Vorwärts-Seitwärts zu erreichen. Berührungsreize an bestimmten Zonen der Hinterhand können dabei unterstützend wirken. Die exakte Lage der Touchierpunkte sind jedoch von Pferd zu Pferd verschieden und müssen individuell herausgefunden werden.


Die wichtigsten Touchierpunkte der Hinterhand

  • erzeugt einen Vorwärtsimpuls
  • animiert das Pferd mehr unterzutreten
  • veranlasst das Pferd seitwärts zu treten
  • Erhaltung der Aufmerksamkeit und der Aktivität,
    unterstützt häufig die Hankenbeugung (durch Po einziehen)

Grundsätzlich ist jede Stelle am Körper des Pferdes mit einer Bedeutung besetzt. So eignet sich der Bereich hinter der Schulter für mehr Rippenbiegung und das Berühren an der Bauchseite kann zu mehr Aufrichtung führen. Die Vorderbeine werden hauptsächlich zum Erlernen des "Spanischen Schritts" touchiert. Welches Ziel auch immer verfolgt wird, der Einsatz der Gerte darf nur kurzfristig erfolgen. Ständiges Touchieren wäre vergleichbar mit einem ständig klopfenden Schenkel beim Reiten und würde nur zur Abstumpfung führen.



Lösende und vorbereitende Übungen

Die Arbeit an der Hand ist kein Selbstzweck. Sie soll das Pferd auf schwierige Dressurlektionen vorbereiten. Der Ausbilder muss die Ziele genau kennen, um die vorbereitenden Übungen sinnvoll durchführen zu können. In der Beschreibung der nachfolgenden Übungen liegt der Schwerpunkt in der praktischen Ausführung. Die theoretischen Grundlagen, Ziele der Lektionen, Beurteilungskriterien und mögliche Fehlerquellen sind im Kapitel Dressur ausführlich beschrieben. Sie sollten gegebenenfalls noch einmal nachgelesen werden.


Die Lösungsphase

Jede Trainingseinheit beginnt mit einer Aufwärm- und Lösungsphase. Nur ein physisch und psychisch gelöstet Pferd ist lernbereit. Vor der eigentlichen Handarbeit sollte das Pferd für etwa eine halbe Stunde gleichmäßig auf beiden Händen longiert oder geritten werden. Die ersten 10 Minuten im Schritt, unausgebunden bzw. am hingegebenen Zügel. Danach für weitere 10 Minuten im leichten Trab, möglichst in Dehnungshaltung, und in den letzten 10 Minuten sollte das Pferd willig an das Gebiss herantreten. Soweit die Theorie. Zeigt das Pferd keine Anzeichen von Losgelassenheit, ist es weder sinnvoll, die Lösungsphase bis zur Ermüdung auszudehnen, noch mit der Arbeitsphase zu beginnen. Häufig bringen einfache und bereits bekannte Übungen die gewünschte Entspannung.
(Siehe auch:   Dressur/ Grundlagenthema: Lösungsphase)


Abkauen lassen an der Hand

Abkau- und Biegeübungen an der Hand ersetzen nicht die bewegungsorientierte Lösungsphase, aber sie können Verspannungen im Maul, im Genick und im Halsbereich des Pferdes lösen. Ein Pferd, das zufrieden kaut, ist immer ein entspanntes Pferd. Ziel der Übung ist es, das Pferd auch beim Reiten auf dieses Verhalten zu konditionieren.

Für die Übung greift der Ausbilder in beide Trensenringe und stellt das Pferd gerade vor sich hin. Der Kopf sollte dabei nahezu senkrecht gehalten werden. Bleibt das Pferd ruhig in dieser Position stehen, wird der Kopf an den Trensenringen langsam zunächst zu einer Seite und anschließend zur anderen Seite geführt. Sowie das Pferd anfängt zu kauen, muss der Ausbilder die Hand ruhig halten und leicht nachgeben. Ein zusätzliches Lob mit der Stimme bestärkt das Pferd in seiner Reaktion.
Bei Pferden, die bei dieser Übung nicht von selbst zu kauen beginnen, kann ein kleiner Trick helfen: Man versucht, über das Gebiss vorsichtig das Maul des Pferdes zu öffnen, um dadurch einen Kaureflex auszulösen. Dazu wird das Gebiss zwischen beiden Händen etwas gestrafft und in die Bewegungsrichtung des Kopfes gedreht. (Bei einer Seitwärtsbewegung nach links, wird der linke, innere Trensenring nach hinten und der rechte, äußere Trensenring nach vorn bewegt, vergleichbar mit der Handhabung eines Fahrradlenkers in der Kurve.)
Wichtig ist auch hier, beim ersten Kauversuch die Handeinwirkung sofort einzustellen und zu loben. Vorbereitete, kleine Apfelstücke als zusätzliche Belohnung können in der Anfangsphase sehr hilfreich sein.


Vorhandwendung

Die Vorhandwendung an der Hand ist eine relativ leichte Übung, auch für Pferde. Sie ist deshalb als Einstieg in die Handarbeit besonders geeignet.
Der Ausbilder steht frontal zur Schulter des Pferdes, fasst mit Zeige- und Mittelfinger einer Hand in den inneren Trensenring und mit der anderen Hand den äußeren Zügel, der kurz vor dem Widerrist über den Hals läuft. Die Gerte wird etwa auf Kniehöhe parallel zum Pferd gehalten. Da die Gertenhand gleichzeitig den äußeren Zügel kontrolliert, ist es zweckmäßig, Gerte und Zügel von unten zu umfassen. Die Gertenhand muss außerdem mit genügend Abstand zum Pferd gehalten werden, um nur mit der Spitze der Gerte gezielte Berührungsreize auslösen zu können.
Das Pferd wird bei der Vorhandwendung nur gestellt und nicht gebogen. Die Stellung erfolgt gegen die Bewegungsrichtung. Durch leichtes Touchieren an der Flanke oder am Oberschenkel wird das Pferd zum Seitwärtstreten aufgefordert. Dabei soll es weder vor- noch zurücktreten. Die Position des Ausbilders ist hierfür entscheidend. Etwas weiter hinter der Schulter nimmt er eine treibende Position ein und wirkt dem Rückwärtstreten entgegen. Näher am Kopf lässt sich - in Verbindung mit dem äußeren Zügel - der Vorwärtsdrang unterdrücken.
Das Pferd soll nicht mit der Hinterhand herumschleudern, sondern die Wendung Schritt für Schritt ausführen. Die Gerte darf also auf keinen Fall ununterbrochen eingesetzt werden. Sie muss sofort entfernt werden, wenn das Pferd auch nur den Ansatz zu einer Seitwärtsbewegung macht. Anstelle der Gerte muss dann ein sofortiges Lob erfolgen, und erst nach einer kleinen Pause wird es zum nächsten Schritt aufgefordert. (Siehe auch: Dressur: Stellung/Biegung und Vorhandwendung)


Seitliches Übertreten

Gelingt die Vorhandwendung zu beiden Seiten, ist es nur noch ein kleiner Schritt zum seitlichen Übertreten. Einer Übung, die mit dem Schenkelweichen beim Reiten vergleichbar ist. Das Pferd wird auch hier nur leicht gegen die Bewegungsrichtung gestellt, aber nicht gebogen. Es soll sich vorwärts-seitwärts bewegen und dabei die Vorder- und Hinterfüße kreuzen. Die Abstellung (nicht zu verwechseln mit der Stellung) beträgt ungefähr 45°.

Für diese Übung ist es vorteilhaft, das Pferd an der Trense seitlich auszubinden und es am Kappzaum zu führen. Die Hilfengebung wird dadurch für das Pferd verständlicher und für den Ausbilder einfacher. Er kann sich auf das Vorwärts-Seitwärts konzentrieren und muss nicht gleichzeitig Kopfhaltung und Stellung korrigieren.
Die ersten Vorwärts-Seitwärts-Schritte gelingen erfahrungsgemäß an der langen Seite einer Reithalle am leichtesten. Dem Pferd wird durch die Bande die Bewegungsrichtung aufgezeigt und die Begrenzung nach vorne vorgegeben. Dadurch werden "bremsende" Zügelhilfen überflüssig. Außerdem lässt sich der Abstellwinkel an einer Bande leichter kontrollieren, als auf einer freien Linie.
Eine Möglichkeit, das seitliche Übertreten einzuleiten besteht darin, das Pferd auf dem ersten Hufschlag zu führen und es aus einer Kehrtvolte in einem Winkel von 45° gegen die Bande zu schicken. Noch bevor es den Hufschlag erreicht, müssen die seitwärtstreibenden Hilfen einsetzen. Dazu dreht der Ausbilder sich mit ausgestreckter Führhand in Richtung Kopf des Pferdes, nimmt eine abweisende Körperhaltung ein und veranlasst dadurch das Pferd, seitwärts zu treten. Er selbst bewegt sich mit gleichmäßigen Schritten und nach vorn gerichtetem Blick auf dem ersten Hufschlag. Die Gerte wird parallel zum Pferd gehalten und korrigiert bei Bedarf die Abstellung. Die gewünschte Innenstellung erfolgt entweder durch unterschiedlich lang verschnallte Ausbinder oder über die Führhand am Kappzaum.
Für den Anfang sollte man sich mit wenigen Schritten begnügen und auf keinen Fall das Loben vergessen. Wenn das Pferd grundsätzlich weiß, was von ihm erwartet wird, kann auf der anderen Hand geübt werden und im fortgeschrittenem Stadium auch auf freier, gerader und gebogener Linie. Ausbinder und Kappzaum werden mit der Zeit überflüssig und können durch eine übliche Trense ersetzt werden.
(Siehe auch: Dressur: Stellung/Biegung und Schenkelweichen)


Vorhandwendung in Konterstellung

Bisher hat das Pferd gelernt, dass Seitwärtsbewegungen immer mit leichter Stellung gegen die Bewegungsrichtung ausgeführt werden. Bei den Travers-Seitengängen ist diese Erfahrung jedoch nicht mehr zutreffend. Das Pferd soll sich hierbei zur entgegengesetzten Seite, nämlich in die Bewegungsrichtung, stellen und biegen.
Viele Pferde tun sich damit am Anfang schwer. Als systematischer Zwischenschritt kann die Übung "Vorhandwendung in Konterstellung" hilfreich sein.

Eine Vorhandwendung in Konterstellung gehört nicht zu den gängigen Lektionen, aber das Pferd lernt hierbei auf einfache Weise und in aller Ruhe, sich in Bewegungsrichtung stellen zu lassen und dabei die Hinterhand seitwärts zu bewegen. Der Vorteil dieser Übung besteht in ihrer Einfachheit. Hat das Pferd die Zusammenhänge erkannt, fallen ihm auch die komplexeren Seitengänge leichter. Immer nach dem Grundsatz: vom Leichten zum Schweren.
Der Ausbilder steht auch bei dieser Übung an der Schulter des Pferdes. Im Gegensatz zur üblichen Vorhandwendung jedoch an der äußeren Seite. Er fasst mit einer Hand in den äußeren Trensenring und übernimmt mit der anderen Hand den über den Widerrist geführten inneren Zügel. Die Gerte wird wieder auf Kniehöhe mit genügend Abstand parallel zum Pferd gehalten. Da das Pferd grundsätzlich gelernt hat, auf Berührungen der Gertenspitze mit der Hinterhand seitlich auszuweichen, kann der Ausbilder sich auf die korrekte Stellung konzentrieren.
Ansonsten gelten die gleichen Kriterien wie bei einer üblichen Vorhandwendung: kein Vortreten, kein Zurücktreten, kein Herumschleudern. Selbstverständlich sollte auch diese Vorhandwendung zu beiden Seiten geübt werden. Auch ein Übertretenlassen mit Stellung in die Bewegungsrichtung kann für die späteren Seitengänge nur von Vorteil sein.



Versammelnde Übungen

Der Übergang von lösenden Übungen zu versammelnden Übungen ist fließend. Maßgebend ist der Ausbildungsstand des Pferdes. Für ein Pferd mit hohem Ausbildungsniveau wirken Seitengänge lösend. Ein nicht so weit ausgebildetes Pferd muss erst behutsam an diese versammelnden Lektionen herangeführt werden.
Versammelnde Übungen sind gekennzeichnet durch vermehrtes Untertreten, was zu einer größeren Lastaufnahme und Hankenbeugung der Hinterhand führt. Die Kruppe senkt sich und es kommt zu einer relativen Aufrichtung. Das Pferd muss sich zwangsläufig auf einer kleineren Grundfläche ausbalancieren. Es wird wendiger und reagiert sensibler auf die Hilfengebung. Es geht ausbalanciert und in Selbsthaltung. Dabei entsteht ein erhabener Bewegungsablauf. Ist diese Stufe der Ausbildung erreicht, spricht man von einer korrekten Versammlung.


Schulterherein

Das Schulterherein ist die Basislektion für alle Seitengänge. Die Übung besitzt einen hohen gymnastischen Wert, weil das Pferd sich mit Längsbiegung vorwärts-seitwärts bewegt. Die Abstellung beträgt etwa 30°. Dabei sollen die Hinterbeine auf dem Hufschlag bleiben und geradeaus fußen. Die Vorderbeine müssen bedingt durch die Abstellung etwas kreuzen. Das innere Hinterbein läuft in der Spur des äußeren Vorderbeins. Das Pferd bewegt sich auf drei Hufschlaglinien.
Schulterfreiheit, die Tragkraft der Hinterhand, Hankenbeugung und die Beweglichkeit im Lendenbereich werden durch diese Übung verbessert.
Die für diese Lektion erforderliche Längsbiegung muss selbstverständlich über einen längeren Zeitraum schonend entwickelt werden. Neben der Arbeit auf gebogenen Linien ist das Schultervor eine unerlässliche Vorbereitung. Hierbei wird zunächst nur eine geringe Abstellung verlangt. Wichtiger ist, dass das innere Hinterbein in Richtung Schwerpunkt tritt und mehr Last aufnimmt. (Siehe auch: Dressur: Seitengänge / Schultervor).

In der barocken Form wird das Schulterherein mit einer Abstellung von ungefähr 45° auf vier Hufschlaglinien geritten. Würde das Pferd mit seinen Hinterbeinen auch hierbei weiterhin geradeaus fußen, müsste es sich mehr biegen. Einer gleichmäßigen Längsbiegung sind jedoch anatomisch Grenzen gesetzt. Folglich beginnt das Pferd mit seiner Hinterhand auszuweichen und mit den Hinterbeinen zu kreuzen. Es entstehen somit vier Hufschlaglinien. Die barocke Form ähnelt einem Schenkelweichen mit geringer Biegung und gehört daher eher zu den lösenden Übungen.




Möglichkeit zur Entwicklung des Schulterhereins


Unabhängig davon, ob das Schulterherein auf drei oder auf vier Hufschlaglinien geübt werden soll, lässt sich die Lektion sehr gut aus einem Zirkel bzw. aus einer Volte entwickeln. Ob Zirkel oder Volte ist vom Ausbildungsstand des Pferdes abhängig. Wichtig ist, dass das Pferd bereits gelernt hat, sich auf einem Kreis mit der entsprechenden Längsbiegung zu bewegen. Unter Beibehaltung der Biegung wird nun versucht, aus dem Kreis auf eine Gerade zu wechseln. Die Bande hat hierbei eine unterstützende Wirkung. Sie soll verhindern, dass die Hinterhand ausweicht.
Für diese Übung geht der Ausbilder wieder an der Schulter des Pferdes. Zunächst auf dem Zirkel bzw. auf der Volte mit Blickrichtung nach vorn. Bei Erreichen des ersten Hufschlags geht er noch einen Schritt auf dem Kreisbogen weiter, so, als wollte er einen neuen Kreis beginnen. In dem Augenblick, wo sich die Schulter des Pferdes vom Hufschlag löst, nimmt er den äußeren Zügel etwas an, dreht sich zum Pferd und veanlasst es durch seine Körpersprache von der Kreislinie auf die Gerade zu wechseln. Ein leichtes Touchieren mit der Gerte hinter der Schulter erinnert das Pferd gegebenfalls an die Rippenbiegung. Nach ein paar Schritten wird die Vorhand wieder auf den Hufschlag geführt und das Pferd angehalten und gelobt.


Hinweise:




Travers und Renvers

Bei den traversartigen Seitengängen ist das Pferd in die Bewegungsrichtung gestellt und gebogen. Vorder- und Hinterbeine kreuzen. Es entstehen vier Hufschlaglinien. Beim Travers bleibt die Vorhand auf dem ersten Hufschlag und die Hinterhand bewegt sich auf dem zweiten Hufschlag. Bei der Konterübung Renvers ist es genau umgekehrt.



Travers                                                           Renvers



Renvers

Im Gegensatz zum Reiten wird bei der Handarbeit der Renvers vor dem Travers erarbeitet. Für den Ausbilder ist die Position an der Außenseite des Pferdes vorteilhafter und für das Pferd sind die Hilfen verständlicher.

Es gibt unterschiedliche Ansätze, den Renvers zu entwickeln. Eine oft angewandte Methode ist die Umstellung aus dem Schulterherein.



Renvers                   Halten und Umstellen                 Schulterherein



Hierfür wird das Pferd zunächst ein paar Schritte im Schulterherein an der langen Seite geführt. In diesem Beispiel auf der linken Hand. Unter Beibehaltung der Abstellung und der Biegng wird es angehalten. Im Stand wird dann in aller Ruhe die Umstellung in die Bewegungsrichtung vorgenommen. Die linke Hand am Trensenring drückt den Pferdekopf sanft in die Bewegungsrichtung. Gleichzeitig wird mit der Gertenhand der rechte (jetzt innere) Zügel entsprechend verkürzt. Die Gerte animiert das linke (äußere) Hinterbein zum Übertreten und unterstützt die Längsbiegung in die Bewegungsrichtung. Anfangs genügen nur wenige Schritte im Renvers. Bei auftretenden Fehlern oder Verspannungen wird das Pferd sofort angehalten und beruhigt. Nach einer kurzen Pause wird es wieder in die Ausgangsposition gebracht und erneut mit dem Renvers begonnen. Mit zunehmender Routine kann der Übergang vom Schulterherein zum Renvers nahtlos ineinander übergehen und auf einen Zwischenstopp verzichtet werden.



Travers

Travers und Renvers unterscheiden sich grundsätzlich nicht voneinander. Körperhaltung und Bewegung sind für das Pferd identisch. Selbst die Hilfengebung ist beim Reiten gleich. Erst an der Bande wird der Unterschied deutlich. Beim Travers bleibt die Vorhand auf dem ersten Hufschlag, beim Renvers ist es die Hinterhand.
Würde man bei der Bodenarbeit die gleichen Hilfen wie beim Renvers anwenden, müsste der Ausbilder beim Travers auf dem ersten Hufschlag gehen und das Pferd auf dem zweiten und dritten Hufschlag ausweichen. Diese Ausbildungsmethode wird oft praktiziert und ist für das Pferd sicherlich der einfachste Weg. Nur, es ist kein vorschriftsmäßiges Travers, wie es später beim Reiten gefordert wird.
Eine Möglichkeit, den Travers auf dem ersten Hufschlag zu entwickeln, besteht darin, Stellung und Biegung aus dem Schulterherein zu übernehmen. Dazu wird das Pferd wieder ein paar Schritte im Schulterherein an der langen Seite geführt. Unter Beibehaltung der Längsbiegung wird dann versucht, die Schulter des Pferdes auf den ersten Hufschlag zu verschieben. Der Ausbilder dreht sich zu diesem Zweck entgegen der Bewegungsrichtung langsam um seine eigene Achse und veranlasst das Pferd dadurch, mit der Hinterhand bei ihm zu bleiben. Oft hilft es, mit der Gerte über die Kruppe hinweg das Pferd an der äußeren Seite vorsichtig zu touchieren. Während des Travers muss der Ausbilder auf dem zweiten Hufschlag rückwärts gehen und die Hinterhand des Pferdes "mit-sich-ziehen".

Unter Beibehaltung der Längsbiegung vom Schulterherein zum Travers


Travers                   Verlagerung der Biegung                Schulterherein




Traversale

Eine Traversale ist nichts anderes als ein Travers bzw. Renvers auf einer diagonalen Linie. Das Pferd bewegt sich dabei in einer Parallelverschiebung zu den langen Seiten des Dressurvierecks. Bei einer korrekt gezeigten Traversale soll die Vorhand der Hinterhand leicht vorausgehen. Beendet wird die Lektion auf dem ersten Hufschlag.
Die Schwierigkeiten gegenüber dem Travers liegen in der geraden Linienführung und dem Fehlen der vertrauten Begrenzung durch die Bande.

Bei der Traversale geht der Ausbilder auf Schulterhöhe an der Außenseite des Pferdes, genauso wie beim Renvers. Er hat dadurch nicht nur bessere Einwirkungsmöglichkeiten, er kann das Pferd auch bis auf den ersten Hufschlag zurückführen.
Aus einer Kehrtvolte, bei der der Ausbilder außen geht, lässt sich eine Traversale relativ einfach entwickeln. Man versucht, die Stellung und Biegung aus der Volte auf die travesale Verschiebung zurück zum Hufschlag zu übernehmen. Wenn das Pferd den Renvers sicher beherrscht, sind keine grundsätzlichen Schwierigkeiten zu erwarten. Sie liegen eher im Detail.





Mögliche Fehler:

In Dressurprüfungen wird die Traversale immer aus einem geradlinigen Vorwärts gefordert. Das ist für das Pferd schwieriger und sollte deshalb ebenfalls zuerst an der Hand geübt werden. Die nachstehende Skizze zeigt die Vorgehensweise und die Position des Ausbilders.

Unterschiedliche Methoden zur Einleitung einer Traversale


bei C:  aus einem geradlinigen Vorwärts                   bei A:  aus einer Kehrtvolte



Gerade bei der Entwicklung der Seitengänge wird sehr deutlich, wie wichtig eine systematische Ausbildung für das Pferd ist. Die Übungen sollten aufeinander aufbauen und in kleinen Schritten vollzogen werden. Das Prinzip "vom Leichten zum Schweren" zieht sich wie ein roter Faden durch die gesammte Ausbildung und sollte immer berücksichtigt werden.



Piaffe und Passage

Sie werden als Königsdisziplinen in der Dressur bezeichnet. In korrekter Versammlung, aber dennoch locker und zwanglos ausgeführt, strahlen Pferde in diesen Lektionen ein Höchstmaß an Eleganz und Erhabenheit aus.
In der Piaffe bewegt das Pferd sich mit trabartigen, diagonalen Tritten fast auf der Stelle. Nur ein bis zwei Hufbreit ist das Maß für die Vorwärtsbewegung. Die diagonalen Beinpaare verharren einen kurzen Moment in der freien Schwebe. Die Unterarme werden im Idealfall bis zur Waagerechten angehoben und senkrecht wieder abgesetzt. Um diese Bewegung aus der Schulter heraus zu ermöglichen, muss die Hinterhand deutlich mehr Last aufnehmen, erkennbar an einer federnden Rückenmuskulatur und einer relativen Aufrichtung. Dabei werden die Hinterfüße etwa bis zur Höhe des gegenüberliegenden Fesselgelenks angehoben.
Unter dem Reiter soll die Hilfengebung so gering sein, dass der Eindruck entsteht, als würde das Pferd von allein piaffieren.

Das ist das Ziel! Sie müssen sich jetzt ehrlich die Frage beantworten, ob Sie sich das zutrauen? Besitzen Sie soviel reiterliches Können und erfüllt Ihr Pferd die dafür notwendigen Voraussetzungen? Wenn ja, wenden Sie sich an einen guten Ausbilder, der Sie praktisch unterstützt. Nur mit einer theoretischen Anleitung ist es nahezu unmöglich, diese qualitativ hochwertigen Lektionen zu erlernen und sie gleichzeitig dem Pferd beizubringen.