Die Lösungsphase
Zu jeder sportlichen Trainingseinheit, gehört eine Aufwärmphase. In der Reitersprache wird sie als Lösungsphase bezeichnet. Wie der Name erkennen lässt, soll das Pferd in dieser Zeit zur Losgelassenheit gelangen, und zwar sowohl physisch als auch psychisch. Zum einen sollen durch allmähliche Steigerung der Bewegung die Muskeln erwärmt, Sehnen und Bänder gelockert und die Schmierung der Gelenke in Gang gesetzt werden, zum anderen soll das Pferd sich innerlich entspannen und Ruhe und Gelassenheit zeigen. Erst wenn dieses Ziel erreicht ist, kann mit aufbauenden Übungen und Lektionen begonnen werden. (Ein verspanntes, aufgeregtes oder ängstliches Pferd ist nicht lernfähig!) Gleiches gilt für den Reiter. Auch er muss innerlich und äußerlich entspannt sein, um gelassen agieren und reagieren zu können.Eine Reitstunde ist daher immer nach derselben Struktur aufgebaut.
Sie besteht aus:
- Lösungsphase,
- Arbeitsphase und
- Erholungsphase.
Der Weg zur Losgelassenheit
Schritt am hingegebenen Zügel
Auch am langen Zügel sollte der Reiter die Aufmerksamkeit seines Pferdes besitzen und in der Lage sein, nur mit Gewichts- und Schenkelhilfen, einfache Bahnfiguren zu reiten und zum Halt durchzuparieren.
Leichttraben am langen Zügel
Um diese Haltung zu erreichen, ist es hilfreich, das Pferd kurzfristig mit geringer Stellung zu reiten, gleichzeitig zu treiben und anschließend die Zügel wieder deutlich nachzugeben. Durch mehrfache Wiederholung wird das Pferd veranlasst, sich zu dehnen und an das Gebiss heranzutreten.
Reiten auf großen, gebogenen Linien verbessern die seitliche Biegung und fördern das Geraderichten. Übergänge aktivieren die Hinterhand und machen das Pferd im Genick durchlässiger.
Für den Galopp gelten die gleichen Überlegungen. Reiten im leichten Sitz, Sprünge verlängern und verkürzen, Übergänge und gebogene Linien wirken gymnastizierend.
aufmerksam, aber trotzdem locker
Bevor die Arbeitsphase beginnt, sollte das Pferd mit einer Schrittpause am langen Zügel belohnt werden.
Merkmale der Losgelassenheit
beim Pferd:- zufriedenes Abschnauben
- aufmerksames Ohrenspiel
- ruhiges Auge
- zufrieden kauendes Maul mit geschlossenen Lippen
- schwingender Rücken und durch den ganzen Körper gehende Bewegung
(gut am getragenen, pendelnden Schweif erkennbar) - die Bereitschaft, jederzeit Dehnungshaltung anzunehmen
- ein fleißiger, nicht eiliger Schritt mit deutlicher Nickbewegung
- die Bereitschaft, den treibenden Schenkel willig anzunehmen und nicht davor zu fliehen
... und beim Reiter:
- ein ruhiger, weit vorausschauender Blick (auf keinen Fall auf das Pferd konzentriert)
- ein ehrliches Lächeln (klappt nur bei entspannter Muskulatur!)
Hinweise
Die Ausbildungsskala ist die verbindliche Grundlage der klassischen Reitlehre. Takt und Losgelassenheit sind die beiden ersten Stufen der Skala. Sie bilden das Fundament jedes weiteren Ausbildungsabschnitts.Auch der Aufbau einer Reitstunde erfolgt nach derselben Struktur. Takt und Losgelassenheit stehen am Anfang jeder Stunde und erst wenn diese Ziele erreicht sind, kann das Pferd mit den erhöhten Anforderungen der Arbeitsphase konfrontiert werden. Ansonsten muss weiter an der Losgelassenheit gearbeitet werden, indem man z. B. die Anforderungen herabsetzt und auf einfache, gefestigte Übungen zurückgreift. Bringt auch das nicht den gewünschten Erfolg, sollte man noch einen weiteren Schritt zurückgehen. Zielgerichtete Bodenarbeit, ohne den zusätzlichen Stressfaktor Reiter, ist oftmals eine wirkungsvolle Alternative.