Die Lösungsphase

Zu jeder sportlichen Trainingseinheit, gehört eine Aufwärmphase. In der Reitersprache wird sie als Lösungsphase bezeichnet. Wie der Name erkennen lässt, soll das Pferd in dieser Zeit zur Losgelassenheit gelangen, und zwar sowohl physisch als auch psychisch. Zum einen sollen durch allmähliche Steigerung der Bewegung die Muskeln erwärmt, Sehnen und Bänder gelockert und die Schmierung der Gelenke in Gang gesetzt werden, zum anderen soll das Pferd sich innerlich entspannen und Ruhe und Gelassenheit zeigen. Erst wenn dieses Ziel erreicht ist, kann mit aufbauenden Übungen und Lektionen begonnen werden. (Ein verspanntes, aufgeregtes oder ängstliches Pferd ist nicht lernfähig!) Gleiches gilt für den Reiter. Auch er muss innerlich und äußerlich entspannt sein, um gelassen agieren und reagieren zu können.
Eine Reitstunde ist daher immer nach derselben Struktur aufgebaut.
Sie besteht aus: Die Inhalte der Lösungs- und Arbeitsphase lassen sich nicht exakt trennen. Für ein ausgebildetes Pferd gehören z. B. Schenkelweichen oder Schultervor zu den lösenden Übungen. Für ein junges Pferd sind es dagegen Lektionen, die es erst in der Arbeitsphase lernen soll.


Der Weg zur Losgelassenheit

Die Lösungsphase beginnt immer im Schritt am langen Zügel. (Die ersten Runden können auch am hingegebenen Zügel geritten werden.) Für viele Reiter erscheint diese Zeit nutzlos und wird häufig zur Kommunikation mit Handy oder anderen Reitern genutzt. Die Pferde schlurfen derweil lustlos und unaufmerksam durch die Bahn. Dabei ist der Schritt die schwierigste Gangart. Es lohnt sich also, diese Zeit sinnvoll zu nutzen, indem man z. B. (mit geschlossenen Augen) den Bewegungsablauf mit dem Gesäß erfühlt, das Auf- und Abfußen der einzelnen Beine unterscheiden lernt, seinen Sitz gedanklich überprüft und korrigiert oder die Signale des Pferdes aufmerksam beobachtet und interpretiert.
Auch am langen Zügel sollte der Reiter die Aufmerksamkeit seines Pferdes besitzen und in der Lage sein, nur mit Gewichts- und Schenkelhilfen, einfache Bahnfiguren zu reiten und zum Halt durchzuparieren.


Anschließend geht man zum Leichttraben über und versucht das Pferd in Dehnungshaltung zu reiten. Hierzu werden die Zügel etwas mehr aufgenommen. Der Kopf des Pferdes sollte aber noch deutlich vor der Senkrechten bleiben und der Hals vorwärts-abwärts gerichtet sein. Das Maul sollte ungefähr auf gleicher Höhe mit dem Buggelenk liegen. (Eine zu tiefe Einstellung wirkt kontraproduktiv.)
Um diese Haltung zu erreichen, ist es hilfreich, das Pferd kurzfristig mit geringer Stellung zu reiten, gleichzeitig zu treiben und anschließend die Zügel wieder deutlich nachzugeben. Durch mehrfache Wiederholung wird das Pferd veranlasst, sich zu dehnen und an das Gebiss heranzutreten.
Reiten auf großen, gebogenen Linien verbessern die seitliche Biegung und fördern das Geraderichten. Übergänge aktivieren die Hinterhand und machen das Pferd im Genick durchlässiger.
Für den Galopp gelten die gleichen Überlegungen. Reiten im leichten Sitz, Sprünge verlängern und verkürzen, Übergänge und gebogene Linien wirken gymnastizierend.


Abwechslungsreich und sehr sinnvoll ist der Einsatz von Bodenstangen und Cavaletti in allen Gangarten. (Vorausgesetzt, das Pferd kennt und akzeptiert die Arbeit, ohne sich dabei aufzuregen.)
Bevor die Arbeitsphase beginnt, sollte das Pferd mit einer Schrittpause am langen Zügel belohnt werden.










Merkmale der Losgelassenheit

beim Pferd:
... und beim Reiter:

Hinweise

Die Ausbildungsskala ist die verbindliche Grundlage der klassischen Reitlehre. Takt und Losgelassenheit sind die beiden ersten Stufen der Skala. Sie bilden das Fundament jedes weiteren Ausbildungsabschnitts.
Auch der Aufbau einer Reitstunde erfolgt nach derselben Struktur. Takt und Losgelassenheit stehen am Anfang jeder Stunde und erst wenn diese Ziele erreicht sind, kann das Pferd mit den erhöhten Anforderungen der Arbeitsphase konfrontiert werden. Ansonsten muss weiter an der Losgelassenheit gearbeitet werden, indem man z. B. die Anforderungen herabsetzt und auf einfache, gefestigte Übungen zurückgreift. Bringt auch das nicht den gewünschten Erfolg, sollte man noch einen weiteren Schritt zurückgehen. Zielgerichtete Bodenarbeit, ohne den zusätzlichen Stressfaktor Reiter, ist oftmals eine wirkungsvolle Alternative.