Skala der Ausbildung
Bedeutung der Ausbildungsskala
Die Ausbildungsskala ist das Ergebnis einer über viele Jahrhunderte entwickelten und optimierten Reitlehre. Der Begriff steht als Synonym für eine systematische und schonende Pferdeausbildung nach den Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. Die Gymnastizierung des Pferdes, die Vertrauensbildung zwischen Mensch und Pferd und die Ausbildung zu einem "durchlässigen" Reitpferd sind die inhaltlichen Ziele dieses ganzheitlichen Ausbildungssystems. Die Gesunderhaltung des Pferdes und die Entfaltung seiner natürlichen Möglichkeiten stehen dabei im Vordergrund.Weitere Merkmale und Vorteile der Ausbildungsskala:
- Die Ausbildungsskala gilt nicht nur für die Grundausbildung des Pferdes, jede Trainingseinheit und jede Reitstunde sollten nach dem Prinzip der Ausbildungsskala aufgebaut sein.
- Durch die einheitlichen Richtlinien lassen sich das Leistungsniveau und der Ausbildungsstand sowohl vom Pferd als auch vom Reiter vergleichen und beurteilen.
- Jedes Pferd, das nach der Ausbildungsskala ausgebildet worden ist, kann auch von anderen Reitern geritten werden.
- Die Ausbildungsskala ist disziplinübergreifend. Sie gilt nicht nur für Reitpferde, sondern für alle Disziplinen des Pferdesports, einschließlich des Freizeitreitens.
Ziele der Ausbildungsskala
Die Ausbildung des Reitpferdes ist in drei Phasen gegliedert:- Gewöhnungsphase,
- Entwicklung der Schubkraft,
- Entwicklung der Tragkraft.
- Takt,
- Losgelassenheit,
- Anlehnung,
- Schwung,
- Geraderichtung und
- Versammlung.
Schematische Darstellung der Ausbildungsskala
gezeichnet in Anlehnung an Originalvorlage:
Richtlinie für Reiten und Fahren Band 1, FN Verlag
Erklärung der Begriffe:
Takt ist das räumliche und zeitliche Gleichmaß in den drei Grundgangarten. Er muss nicht nur auf geraden Linien, sondern auch in allen Wendungen, in Übergängen und bei Seitengängen erhalten bleiben. (Jede Übung oder Lektion, die Taktunreinheiten aufweist, ist fehlerhaft und jeder Ausbildungschritt, der zu Taktfehlern führt ist falsch.) Der Takt muss dem individuellen Grundtempo des Pferdes angepasst sein.Losgelassenheit zeigt ein Pferd, wenn es sich zwanglos in allen drei Gangarten bewegt. Wenn es physich und psychisch entspannt ist. Wenn es taktrein geht, über den Rücken schwingt und und bereit ist, sich vorwärts-abwärts zu dehnen.
Anlehnung ist die konstante, und zugleich weiche, elastische Verbindung zwischen der Reiterhand und dem Pferdemaul. Das Pferd soll die Anlehnung suchen. Niemals darf sie durch rückwärtswirkende Zügel erzwungen werden! Dosierte vorwärtstreibende Hilfen zur Schwungentwicklung, ein losgelassener Sitz und eine ruhige Hand des Reiters sind die besten Voraussetzungen, um eine vertrauensvolle Anlehnung zu erreichen.
Schwung kommt aus der Hinterhand. Die Hinterbeine müssen energisch vorwärts-aufwärts abfußen und weit nach vorne durchschwingen. Dabei muss das Pferd losgelassen sein und in Anlehnung gehen, um die Bewegung über einen elastisch, federnden Rücken bis zum Gebiss durchzulassen.
Geraderichten ist notwendig, um beim Pferd eine gleichmäßige Belastung der Gliedmaßen zu erreichen (Gesunderhaltung!). Darüber hinaus wird die Schubkraft optimiert und die Durchlässigkeit auf beiden Händen verbessert.
Ein Pferd ist dann geradegerichtet, wenn es sich auf geraden und gebogenen Linien hufschlagdeckend bewegt, also die Hinterhand in die Spur der Vorhand tritt (ausführliche Beschreibung siehe: Geraderichten).
Versammlung und relative Aufrichtung sind unmittelbar miteinander verbunden. Ein versammeltes Pferd nimmt mehr Last mit der Hinterhand auf. Dafür muss es mit den Hinterbeinen mehr unter seinen Schwerpunkt treten. Das wiederum ist nur über vermehrte Hankenbeugung möglich. Durch die starke Winkelung der Hinterhand senkt sich die Kruppe des Pferdes. Gleichzeitig wird die Vorhand entlastet. Es kommt zu einer relativen Aufrichtung. Der Reiter hat das Gefühl, als würde er bergauf reiten. Die Schritte, Tritte oder Sprünge werden federnder und kürzer, ohne an Fleiß zu verlieren. Das Pferd geht ausbalanciert und in Selbsthaltung. Dadurch entsteht ein erhabener Bewegungsablauf.
Gleichgewicht zwischen Pferd und Reiter ist eine Grundvoraussetzung für harmonisches Reiten. Die Verbesserung des Gleichgewichtsgefühl ist daher ein übergeordnetes Ziel in jeder Ausbildungsphase. Das Pferd muss lernen, sich auch unter dem Reiter in allen Situationen auszubalancieren. Nur dann kann es sich losgelassen, taktrein, schwungvoll und kadenziert bewegen. Ein losgelassener, ausbalancierter Sitz des Reiters, der das Pferd in seinen Bewegungen nicht stört, ist dafür unbedingt erforderlich.
Durchlässigkeit ist das Resultat aller Ausbildungsstufen. Sie ist dann erreicht, wenn das Pferd in allen Gangarten und auf beiden Händen losgelassen, zwanglos und gehorsam auf alle Hilfen sofort reagiert.
Die Ausbildungsphasen
1. Gewöhnungsphase
losgelassen und in guter Anlehnung
2. Entwicklung der Schubkraft

Schubentwicklung durch aktive Hinterhand Foto: Shutterstock
3. Entwicklung der Tragkraft

Victoria Max-Theurer mit Augustin OLD Foto: Dr. Tanja Becker
gut erkennbar bei der Piaffe:
starke Versammlung und relative Aufrichtung
Ziel aller Ausbildungsstufen ist die Steigerung der Gleichgewichtsfähigkeit und der Durchlässigkeit. Das Pferd soll sich in allen Situationen unter dem Reiter ausbalancieren können, und die Hilfen des Reiters bereitwillig annehmen und ohne Verzögerung ausführen.